Der Tag Allerseelen

Der Tag nach Allerheiligen (2. November) ist dem Totengedenken gewidmet. Seit der Allerseelentag als offizieller Festtag abgeschafft wurde, wird der arbeitsfreie Tag Allerheiligen in der römisch-katholischen Kirche genutzt, um “den Armen Seelen im Fegefeuer zu gedenken”. Das Gedenken an die Verstorbenen ist der eigentliche Sinn an Allerseelen.

Das Fest geht auf Abt Odilo von Cluny im Jahr 998 zurück. Er führte den Gedenktag einen Tag nach dem Allerheiligenfest zu Ehren der Toten der Abtei Cluny ein. Der Tag des Totengedenken verbreitete sich auch außerhalb der Klöster. Ab dem 14. Jahrhundert ist belegt, dass Allerseelen auch in Rom gefeiert wurde. Papst Benedikt XV. weitete das Fest auf die gesamte römisch-katholische Kirche aus. Durch Gebete, Fürbitten und Almosen können Angehörige Fürsprache für die Toten einlegen.

Brauchtum zu Allerseelen

Im Volksglauben ist die Vorstellung fest verwurzelt, dass die Toten an Allerseelen für kurze Zeit an den Ort ihres früheren Lebens zurückkehren und dann wie Lebende Anspruch auf Speis und Trank haben. Das Mehl an Allerseelen wurde zu den festen Einkünften des Lehrers und Mesners gerechnet. Vermutlich entwickelte sich daraus der Brauch um Halloween. In der Wertachgegend bis nach Bayern fand sich der Brauch, Seelenbrezen an den Gottesackerkreuzen und Steinen herumzuhängen, als Totenopfer. In der Nacht wurden diese dann “aufgeräumt”.

In der schwäbisch-bayerischen Hochebene stellte man “Seelnäpfe”, Schüsseln mit Getreide, Mehl und Bohnen auf den Altar. Es wurden auch Seelzöpfe, Butterballen, Rauchfleisch, da und dort eine schwarze Henne, und Eier niedergelegt. Dieser “Bahraufsatz” war für den Mesner bestimmt. In Preith-Pollenfeld ging der Mesner noch in den 1970/1980 Jahren von Haus zu Haus und sammelte das “Läutgeld”, als Lohn für seine Dienste in der Kirche, ein.

Aberglaube Allerseelen

Die Nacht vom ersten zum zweiten November ist nach dem Volksglauben eine Freinacht.

Mit dem Gebetläuten kommen “die Seelen” geflogen. Sie steigen aus den Gräbern, wehen mit den Nebeln aus den Sümpfen und Seen, sie kommen aus dem Wald, in dem sie auf ihrer Reise über die Berge gerastet hatten. Fromme Holzknechte hackten ihnen, damit sie den Weg fanden, drei Kreuze in einen Baumstumpf.

Bis in unser Jahrhundert hinein war im Chiemgau der Glaube verbreitet, dass die Toten in den Baumkronen des Obstangers hausen. Unhörbar war die Ankunft der Seelengeister. Sie rüttelten an Fensterläden, ließen Türen und Tore schlagen, Dielen und Balken knarren und das Feuer knistern. Sie summten im Bratapfel und heulten im Kamin, klopften im Regentropfen und schwebten mit den Schneeflocken nieder. Sie hockten auf Kasten und Truhen und füllten die Stuben. “Alle sind sie da und auf Schritt und Tritt bist du ihnen nah”.

Noch zwei Generationen vor uns hatten die Leute eine Verbundenheit mit den Toten, wie wir sie nicht mehr kennen. Am Seelentag unterblieb alles geräuschvolle Werken, nirgends wurde gedroschen. Heimkehrende sollten nicht gestört und keinem ein Leid angetan werden. “Auf dass an Fried kriagn”, war eine Redensart. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts tischte man den heimkehrenden Seelengeistern nachts ein Seelenmahl auf. Dies war im Chiemgau und am Samerberg üblich, indem Brot oder Bohnenbrei auf den Tisch standen oder auf die Gräber gelegt wurden.

Mehrere Seelenrosenkränze wurden früher gebetet, denen sich die Allerheiligen-Litanei anschloss. Erlosch während eines Rosenkranzes ein Wachsstocklicht, musste die Arme Seel`, für die es angezündet war, unerlöst weiterirren.

Am Seelentag räumte die Bäuerin nach dem Essen den Tisch ab. Die Brotbrösel wischte sie in die Hand, um sie als Speisung für die Armen Seelen ins Herdfeuer zu werfen. Verstreutes Salz warf sie in den Aschenschuber, weil nach dem Volksglauben Salz den Toten in den Augen brennt.

Die Seelenbreze hing am Grabkreuz.

In Aibling glaubte man, dass an Allerseelen die Frau Bercht mit den Seelen von neun verstorbenen Kindern durch den Friedhof gehe. Sie bekam eine Schüssel voll Allerheiligenküachl. Andere erzählten am nächsten Morgen, dass sie nachts das Geschirr in der Tischschublade scheppern hörten. Wenn sich einer aus dem eigenen Hof an einer Seelenspende vergriff, so plagte ihn das Jahr hindurch fortan der Zweifel. “Muaß I heuer sterbn oder net?” Nur eine gute Tat konnte ihn von solch einem Albdruck befreien.

Gisela Haußner, Preith

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