Erinnern & Gedenken am Volkstrauertag, 13. November 2022

Beim Lesen alter Vereinsprotokolle oder beim Verfassen von Chroniken beeindruckt oft das Lesen der damaligen Berichte aus den beiden Weltkriegen. Oft spürt man direkt das Bedrückende des Krieges und ist fassungslos, wieviele junge Trachtler, die teilweise in den Jahren davor in heiteren Berichten genannt wurden,  nicht mehr nach Hause gekommen sind.

Heutzutage liegt dies für viele lange zurück. Erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das Bewußtsein für die Schrecken des Krieges wieder gewachsen und die Dankbarkeit dafür, daß wir in Deutschland seit vielen Jahrzehnten in Frieden leben dürfen, steht mehr im Vordergrund.

Entstehung in der Weimarer Republik

Nach den Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg, der in Gewalt und Todesopfern einen schrecklichen Höhepunkt in der Kriegsgeschichte darstellte, wurde auf Initiative des "Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge" 1919 der Volkstrauertrag als Gedanktag für die gefallenen deutschen Soldaten vorgeschlagen. Begangen wurde er zum ersten Mal 1922 in der Weimarer Republik. Der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe hielt eine im In- und Ausland vielbeachtete Rede, in der er einer feindseligen Umwelt den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüberstellte. Zunächst wurde der zentrale Gedenktag in allen deutschen Ländern am fünften Sonntag vor Ostern (lat. "Reminiscere" - Gedenke!) begangen. An diesem Tag herrschte Staatstrauer (Flagge auf Halbmast), die Reden im Reichstag wurden über Rundfunk übertragen.  

Heldenverehrung im Dritten Reich

1934 übernahmen die Nationalsozialisten den Gedenktag und benannten ihn in "Heldengedenktag" um. Hier spielte bereits die Verklärung des Soldatentodes als Heldentod eine Rolle, insbesondere wurde der Opfer des Hitlerputsches 1923 gedacht. Der Tag wurde von Seiten des Propagandaministeriums als so wichtig angesehen, dass außenpolitische Schritte wie die Remilitarisierung des Rheinlands, die Annektion Österreichs oder die Zerschlagung der Tschechoslowakei rund um das Datum des Heldengedenktages (nach wie vor der 2. Fastensonntag) durchgeführt wurden. Ab 1939 wurde als Tag der 16. März festgelegt: der Tag der Einführung der Wehrpflicht. Außerdem wollte Hitler den Tag vom kirchlichen Kalender entkoppeln.  

Wiedereinführung nach 1945 in Westdeutschland

Nach Kriegsende wurde in allen vier Besatzungszonen beschlossen, den Volkstrauertag als Gedenktag weiterhin zu begehen. Um sich vom Vorgehen im dritten Reich zu distanzieren, wurde der Tag Anfang der 50er Jahre auf das Ende  des Kirchenjahres verlegt, genauer auf den vorletzten Sonntag vor dem 1. Advent, heuer also am 13. November.  

In Westdeutschland wurde an diesem Tag zunächst der "Toten zweier Kriege an den Fronten und in der Heimat" gedacht und schloß damit bewußt die zivilen Opfer mit ein. In den 1960er wurde diese Formulierung in das Gedanken an alle „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft"  umbennant, um zu betonen, daß auch Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene sowie alle Opfer der NS-Herrschaft gedacht wird. Ebenso umfasste es aber auch die Opfer an der innerdeutschen Grenze. Diesen Opfergruppen steht laut dem Kriegsgräbergesetz das dauerhafte Ruherecht auf Friedhöfen bzw. Kriegsgräberstätten zu.

Gedenktag in der DDR

In der DDR wurde „Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ eingeführt. Begangen wurde er am 2. Sonntag im September.

Heutiges Gedenken

Da der Volkstrauertag immer auf einen Sonntag fällt, ist er kein gesetzlicher Feiertag, wohl aber ein stiller Tag. Das heißt die Flaggen werden auf halbmast gesetzt und Tanz- und Musikveranstaltungen sind in der Regel nicht oder nur mit Einschränkungen erlaubt. In fast allen Bundesländern wird der Tag als geschützter Tag genannt, allerdings ohne dessen Inhalt näher anzugeben. So hat sich das Gedenken über die letzten Jahrzehnte durchaus verändert: es rückten über die Jahre immer mehr die Opfer des Nationalsozialismus, aktuelle Ereignisse oder auf Auslandseinsätzen der Bundeswehr verstorbenen Soldaten in den Fokus.

Seit 1993 ist die Neue Wache in Berlin die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland. Im Bundestag findet am Volkstrauertag eine zentrale Gedenkstunde statt, bei der neben der Rede des Bundespräsidenten auch die Nationalhymne und "Der gute Kamerad" gespielt werden. Das Sprechen des Totengedenkens durch den Bundespräsidenten ist seit 1952 i Übrigen gleich, eingeführt wurde es von Theodor Heuss.

Kritik und Zukunft

Obwohl die meisten Gruppierungen der Meinung sind, dass ein zentrales Gedenken an die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt nötig ist, ist die Form des Gedenkens bereits seit Einführung des Volkstrauertages immer wieder Mittelpunkt von Diskussionen. In der Weimarer Republik nutzten rechtsgerichtete Gruppen die Feierlichtkeiten zur Heldenverklärung, während linksgerichtete Gruppen den Tag als "Kriegshetzertag" bezeichneten. Auch Kräfte, die der jungen Republik feindlich gegenüberstanden, nutzen den Tag für ihre Zwecke. So war ein gemeinsames Erinnern aller kaum möglich.

Auch heutzutage finden sich immer wieder Kritiker an der Form, wie der Tag begangen wird: die einen finden es nicht mehr zeitgemäß an Erinnerungstafeln Kränze niederzulegen und möchten den Tag allgemeiner verstanden wissen, wieder andere stören sich an dem Wort  "Gefallene", weil es ihnen nicht weit genug geht und nicht genug Gruppen umfasst. Wieder andere bemängeln, dass der Tag heute oft "ritualisiert" von statten geht und keine tieferen Gedanken mehr zulässt.

Wichtig ist aber wohl vor allem, sich daran zu erinnern, dass Gewalt und Krieg keine Lösungen sind, sondern nur weitere Probleme, Hass und Gewalt schüren. Es ist gut und richtig, sich einmal am Jahr daran zu erinnern - und auch ab und zu innezuhalten und eine Kriegsgräberstätte zu besuchen, ganz im Sinne der Worte von Paul Löbes Rede 1922:

"Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet Abkehr von Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat die Liebe not."

Die Bilder zeigen:
Bild 1 Kriegsgräberstätte bei Strasbourg-Cronenbourg. Hier fanden deutsche und französische Gefallene sowie verstorbene Kriegsgefangene aus beiden Weltkriegen ihre letzte Ruhe. Der Ort wurde bereits ab 1888 als Garnisonsfriedhof genutzt.
Bild 2 und 3 Kriegsgräberstätte in Narwa, Estland. Die Stadt am gleichnamigen Fluß ist eine über die Jahrhunderte immer wieder heftig umkämpfte
Grenzstadt zwischen Rußland und Estland. Der Soldatenfriedhof beherbergt ca. 15.000 deutsche Soldaten und verstorbene Kriegsgefangenen aus dem zweiten Weltkrieg. Er ist Stand heute noch nicht fertiggestellt, es sollen hier Gefallene aus ganz Estland umgebettet werden.
Nachdenklich stimmt gerade zu aktuellen Zeiten der Blick auf das andere Ufer der Narwa: hier ist bereits Rußland.
Bild 4 Die Kriegsgräberstätte Waldfriedhof München wurde 1965 fertiggestellt und ist eine der größten in Deutschland. Hier ruhen Soldaten aus den beiden Weltkriegen sowie Frauen und Kinder, die zum Arbeitsdienst in Deutschland gezwungen wurden.

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