Die Rieglhaube
Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitet sich die Riegelhaube, gefördert von den Bayernkönigen Max I. Joseph (Regierungszeit 1806-1825) und Ludwig I. (Regierungszeit 1825-1848) von München ausgehend, über ganz Bayern.
Ein unerlässliches Trachtenelement – inzwischen wohl längst „typisch München“ geworden, ist die Riegelhaube. Die Riegelhaube (im Raum München erstmals 1772 urkundlich erwähnt) entwickelte sich aus der die ganzen Haare einhüllenden Rokokohaube. Am Hinterkopf liegt eine große flache, anliegende Schleife gold- oder silberbroschiert, auch bestickt, über dem versteiften Haubenboden. Diese, vom gebundenen Kopftuch herkünftig, längst funktionslos gewordene Schleife, ziert weiterhin das ab etwa 1800 kleiner werdende Riegelhäubchen.
Es war so beliebt, dass es sogar zur biedermeierlichen Mode getragen wurde und sich weit über München hinaus verbreitete. Als das Riegelhäubchen in den 1830ern fast waagrecht nach hinten stehend auf dem Oberkopf getragen wurde („König-Otto-Riß“), bekamen die spitzen Enden der Schleife im Volksmund die scherzhafte Bezeichnung „Geißeuterl“. (Trachten in und um München v. Volker D. Laturell)
Der Großteil der heute noch erhaltenen Hauben ist mit leonischen Gold- und Silberdrähten in Spreng- oder Anlegetechnik bestickt, mit Perlen, Pailletten und Stanzfolien verziert.
Die Basis der Haube besteht aus Karton, über die der - in oben genannter Weise bestickte – gelbgoldene Brokat- oder Seidenstoff aufgearbeitet wird.
Bei den Mustern der Stickereien auf Wulst, Haubenboden und Schleife zeigen sich die Kreativität und das Können der Haubenmacherin.
Auf der Innenseite des Scheitelwulstes ist ein Drahtgestänge angebracht, das für die Befestigung der Haube, durch Haarnadeln, dient. Man verwendet dazu Ziernadeln, diese sind doppelte, lange Silbernadeln, gekrönt mit einem runden Filigranknopf oder von einer knospenhaften Tulpenblüte.
Auch heute gibt es noch interessierte Frauen, ja sogar Männer, die sich an die alte Handarbeitstechnik heranwagen und eine Riegelhaube anfertigen. Eine gewisse Fingerfertigkeit ist aber notwendig, mit Goldbouillon, Pailletten und Folien umzugehen. Die Wahl der Muster und Motive; die den Haubenboden, die Schleife und den Scheitelteil zieren sollen, bedarf auch einer sorgfältigen Vorbereitung. Am Besten bietet sich für diese Arbeit ein Kurs zum Erlernen der Goldstickerei für Riegelhauben an. Empfehlenswerte Literatur dazu ist z.B. das Bilder-und Werkbuch Goldstickerei II. von Franziska Rettenbacher.
Ein wesentlicher Bestandteil zur Riegelhaube ist die Frisur. In der Entstehungszeit der Haube um 1800 trug man die Stirn frei, in der Mitte schlicht gescheitelt und das Haupthaar in Zöpfen oder Haarknoten am Hinterkopf festgesteckt. Von den Schläfen fiel das Haar in Ringellöckchen, oder das Gesicht wurde von einem oder mehreren Zöpfen eingerahmt.
Der heutigen Zeit zwar angepasst, sind diese Merkmale der Frisur zur Haube noch immer von Bedeutung.
Mit den verschiedensten Hilfsmitteln können Frisuren - passend zum Alter der Trägerin und der Haarlänge - zur Riegelhaube gesteckt werden.
Rita Szeibert-Sülzenfuhs schreibt in ihrem Buch „Die Münchnerinnen und ihr Tracht:
„Die Riegelhaube war im Verlauf des 19. Jahrhunderts neben Oberbayern und Schwaben, in Mittelfranken, in der Oberpfalz und in Niederbayern zu finden. Aber auch bis in die an Bayern grenzenden Gebiete Österreichs hinein erstreckt sich das Ausdehnungsgebiet der Riegelhaube.“
Franziska Rettenbacher Goldstickerei II:
„Keine Kopfhaubentracht aber hat es jemals wieder zu einer so lange anhaltenden Begeisterung in weiten Kreisen der weiblichen Bevölkerung geschafft, wie es die Riegelhaube vermochte. Damit hat sich die Riegelhaube selbst ein Denkmal in der Geschichte der deutschen Haubentrachten gesetzt.