Tracht - beständig im Wandel der Zeit

Schauen wir zuerst einmal zurück auf die Beweggründe, warum eigentlich Trachtenvereine entstanden sind:

Toni Demmelmeier sen.(*) aus Schaftlach schreibt in der Oberlandler Gauchronik:

"Was wir heute als Tracht bezeichnen, ist das, was sich aus dem ländlich-bäuerlichen Gewand der früheren Jahrhunderte entwickelt hat. dabei haben auf dem Land, in den Dörfern, nicht bloß Bauern gelebt, sondern auch Handwerker und Taglöhner, die landwirtschaftlichen Dienstboten eingeschlossen. Für diese galten bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein strenge Kleidervorschriften. Gerade bei den 'kleinen Leuten' wurde genauestens darauf geschaut, daß sie nichts anderes angezogen haben, als es ihnen zustand, daß ihr Gewand nicht zu üppig wurde, wie man behördlicherseits meinte, und daß die Unterschiede gegenüber den höheren Ständen gewahrt blieben. Durch immer wieder aufgewärmte Kleidervorschriften, die zuletzt 1750 noch einmal verschärft wurden, durch Sondersteuern, Verbote, Konzessionsentzug für die Handwerker, Einziehen der verbotenen Kleidungsstücke wurde die Standestracht der unteren Schichten erzwungen. Es ging dabei also nicht um den Bauernstand allein, sondern um die ganze Landbevölkerung. Durch diese Reglementierung haben wir auf dem Land bis etwa 1800 ein ziemlich starkes Beharren in den Kleiderformen."

Überliefert in ihrem Aussehen wurde uns das Gwand der Landbevölkerung der damaligen Zeit durch Reiseberichte von Schriftstellern, wie z.B. Franz von Paula Schrank, Joseph von Hazzi und in späteren Jahren Wilhelm Heinrich Riehl, Friedrich von Bodenstedt und Ludwig Steub. Dazu kamen Zeichnungen, Aquarelle, Bilder von Johann Georg von Dillis, Franz Wilhelm von Kobell, Ludwig Neureuther, Lorenz Quaglio, um nur einige namentlich zu erwähnen und viele Unbekannte, deren Votivbilder in Kirchen und Wallfahrtsorten zu finden sind.

König Ludwig I. konnte 1835 beim Festzug anlässlich seiner Silberhochzeit und 1842 beim Hochzeitszug seines Sohnes Prinz Maximilian Vertretungen des Volkes in Tracht dazu einladen. Als sein Sohn 1848 zum König Maximilian II. ausgerufen wurde, sah dieser in der Erhaltung der Trachten eine "große Wichtigkeit, um auch in Bayern das Nationalgefühl des Volkes zu heben und zu kräftigen", schrieb er 1849 an seinen Innenminister von Zwehl. In seinem Buch "König Maximilian II. von Bayern" schreibt Prof. Walter Hartinger: "Nach vielen Gesprächen, Befragungen und Gutachten erwuchs daraus die größte Aktion zur Erhaltung der Tracht, die Bayern jemals erlebt hat."

Diese Betonung der Wichtigkeit ist auch heute für den Bayerischen Trachtenverband eine verbindliche Verpflichtung. Leider wurden durch den frühen Tod des Königs, durch den Krieg 1870/71, sowie durch den Einfluss der französischen Revolution und der Mode alle Bemühungen zur Erhaltung der Tracht zurückgedrängt. Die sozialen Verhältnisse taten das ihre noch dazu. Gab es um 1800 nur noch knapp 4% freien bäuerlichen Besitz, so folgte im 19. Jahrhundert eine große Abwanderung der Landbevölkerung in die Fabriken und Städte, man zog sich vielfach "städtisch" an und die kleidsame Tracht verschwand immer mehr.

Ungeachtet dieser Entwicklungen hielt und hält das Haus Wittelsbach bis heute seine schützende Hand über die Trachtensache und ist der Trachten- und Brauchtumsförderung wohlwollend gesonnen.

Dem Verschwinden der Tracht wird Einhalt geboten

In einem der südlichsten Orte von Bayern, in Bayrischzell, haben der Volksschullehrer Josef Vogl (1848-1886) und fünf Burschen bei einem Stammtischgespräch Klage darüber geführt, dass die kleidsame Tracht im Verschwinden begriffen sei und man nur noch höchst selten einen Jäger in der kurzen Hose einhergehen sieht. Die Folge dieser Unterhaltung mit dem Ausspruch des Lehrers: "Wißt's wos, gründ' ma a'n Verein" war 1883 die Umsetzung dieses Gedankens und erstmals hatte ein Verein in seiner Satzung als Zweck stehen: "Wiederauffrischung der im Verschwinden begriffenen kleidsamen Volkstracht".

Im Hof der Emmeringer Kirche (Landkreis Ebersberg) neben seinem Geburtshaus erinnert ein Gedenkstein an den wohl berühmtesten Sohn der Gemeinde; zahlreiche Straßen in verschiedenen Orten sind nach ihm benannt.

In der Anschaffung von Lederhosen folgte die Bereitschaft zur Tat. Bayrischzell war das Beispiel und in der Nachfolge war es gelungen, dass das Land von einem Netz von Trachtenvereinen durchzogen wurde.

Wir wollen uns aber hier hauptsächlich den aktuellen Trachten widmen, den unterschiedlichen Formen von Festtags-, Werktags-, Tanz- oder Trauertrachten, welche von Dorf zu Dorf, von Tal zu Tal und oftmals innerhalb eines Ortes verschieden getragen werden.

Die Trachtenbewegung hat allerdings nicht Halt gemacht an den Landesgrenzen Bayerns. In die "große weite Welt" zogen viele bajuwarische Landsleute, welche sich in der Fremde zusammenfanden und durch die Kleidung Zusammengehörigkeit pflegten. So gründete sich bereits 1876, also sieben Jahre vor Bayrischzell, in Berlin der "Verein der Bayern", welcher u.a. auch die Pflege der Miesbacher Tracht zu seinen Aufgaben zählt.

1914 gründeten Auswanderer in Illinois, USA, den Trachtenverein "Edelweiß" Chicago, weitere alpenländische Aussiedler schlossen sich zusammen und so wird bis heute beispielsweise in den USA, Kanada, aber auch in Südamerika und Australien durch die Nachfahren dieser Pioniere bayerisches G'wand bei entsprechenden Anlässen getragen.

Quelle:
Text: Walter Weinzierl – Kolbermoor
Auszüge: Toni Demmeleier sen. – Schaftlach

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